Trickfilm-Archiv & Logbuch
Oder wie ich Verwertungskaskaden lieben lernte
Als ich vor Jahren noch als angestellte Lektorin in einem Berliner Sachbuchverlag arbeitete, hatte ich einen Programmchef, der gerne von
Verwertungskaskaden
sprach. Hinter diesem für mich zunächst geheimnisvollen Begriff stand beispielsweise, dass man den Inhalt eines bereits produzierten, aber in die Jahre gekommenen Buches zerlegte und seine Einzelteile mit Einzelteilen eines anderen bereits produzierten, aber in die Jahre gekommenen Buches (möglichst derselben Reihe) kombinierte. So ließen sich Aufwand und Produktionskosten wie Illus, Fotos, Lektorat oder Layout deutlich mindern. Also aus zwei mach eins. Oder aus eins mach zwei, je nach Blickwinkel. Ein oder zwei solcher Zweitverwertungen habe ich betreut, das machte mir keinen besonderen Spaß. Doch das vornehme Wort dafür gefällt mir bis heute. Und vor ein paar Tagen wurde mir klar, dass ich bei dem ganzen Papier-Animations-Getrickse selbst gerne Verwertungskaskaden baue.
Doch erstmal einen Schritt zurück: Beim Gestalten von Papier-Animationen fällt naturgemäß allerhand Papier-Geschnipsel an. Klar kann man sich vornehmen, nur Reste zu verwerten, Ehrensache. Aber ganz ehrlich: Aus Papier entsteht immer noch mehr Papier, egal, wie gut der Vorsatz ist, wer kennt's nicht? Und wohin mit dem Analog-Gefitzel, wenn die Animation fertig ist und digital ganz klein auf der Festplatte parkt?
Mein (Platz)Glück ist, dass ich auch analog gerne mit kleinen Formaten arbeite – und so legte ich mir bald ein Streichholzschachtel-Trickfilm-Archiv zu, das ich bis heute weiterführe. Wobei so manches Zubehör dort doch nicht reinpasst, dann springen größere Klein-Schachteln ein. Auf dass ja kein Papierstreifen wegkommt, könnte ja noch gebraucht werden.
Parallel dazu macht sich hier seit Kurzem ein anderes Format für Papier-Trickfilm-Reste immer wichtiger: meine
Logbücher*. Das sind schnöde Graupappen-Skizzenbücher, fortlaufend nummeriert, in die alles kommt, was mich interessiert und beschäftigt: Tagesnotizen, Kritzeleien, gerade gelernte Pflanzen- oder Sternennamen, Skizzen, Verworfenes & Genutztes, Stempel, Testereien, Farbproben, Papier-Reste, Ideen, Mini-Geschichten, Lieblingswörter, Fundstücke und so weiter. Kurzum: ein Riesen-Sammelsurium, ohne inhaltlichen oder gestalterischen Überbau. Gerade wie's reinläuft**. Und ein echter Orientierungsanker für mich, auch in kniffeligen Zeiten.
In diesen Logbüchern nehmen inzwischen Trickfilm-Dingse immer größeren Raum ein: Trickfilme werden zu Buchinhalten, Buchinhalte zu Trickfilmen. Oder anders gesagt: im stetigen Hin-und-Her wachsen, verweben sich so allerhand Papier-Welten, für mich eine echte Verwertungskaskade im allerbesten Sinne.
PS: Vielleicht erkennt ihr ja die ein oder andere Trickfilm-Logbuch-Stelle unten wieder ...
#Köln
#September 23
* Dieses schöne Wort stammt nicht von mir, sondern von
Austin Kleon. Sein Buch
Alles nur geklaut
habe ich dank eines Tipps von
Kristina
letztlich wieder rausgekramt und halte es in Ehren.
** Oder eher so: What a mess ... trotz des ab und an aufjaulenden Gestalterinnen-Hirns finde ich's super + bequem + praktisch. Denn hier zählt nur die Chronologie, nix anderes. Und wenn's voll ist, ist's voll. Dann kommt einfach das nächste Graupappenbuch.